Gekochter Fisch – Pesce Lesso

Gekochtes hat schon ein bisserl was mit Eleganz zu tun. Während man beim Grillieren ein Stück Fleisch oder Fisch auf Rost oder Spieß oder gleich direkt ins offene Feuer hängt, geht man beim Sieden mit etwas mehr Feingefühl vor: Das Fleisch oder der Fisch wird in einem Topf mit gewürztem heißem Wasser ziehen gelassen, noch feiner wird‘s, wenn man es gar nur dämpft. Während beim Braten&Grillen das Fleisch in der Glut knistert und sich kräftige Brataromen entwickeln, das Fleisch sich durch eine Vielzahl von Reaktionen („Maillard-Reaktion“) umwandelt und sich eine Kruste bildet, wird beim Sieden&Kochen behutsam mit dem Fleisch umgegangen: auf daß die Struktur des Fleisches möglichst nicht angetastet wird, auf daß es nicht zerstört wird; und das Fleisch seine Eigenheit öffnet und seine innersten Aromen preisgibt. Gekochter Fisch triumphiert mit seinem Eigengeschmack. Das eine verfügt über Rustikalität, das andere über Finesse. So steht das eine für ausgelassenes Feiern, das andere für kultivierte Zurückhaltung und raffinierten Genuß. So trinkt man zum Gegrillten oft Bier aus dickwandigen Humpen, zum Gesottenen lieber Chardonnay aus filigranen Tulpengläsern.

Vom Spiesse bring‘ ich den Braten: Versuchtest du gern den Sud?
Für dich sott ich ihn gar.

Mime an Siegfried, der ihm daraufhin Topf und Braten aus der Hand schmeißt, in R. Wagners Oper Siegfried, 1. Aufzug. Mal abgesehen vom ungestümen Verhalten Siegfrieds: früher einmal, also im 19. Jhdt. – außer R. Wagner wollte authentisch sein, dann war es noch früher… lagen Gebratenes und Gesottenes wohl gleichauf, in deutschen Landen, so scheint es.

In dem Artusi-Buch das wir haben, gibt es ein Fischkapitel, indem einige wenige aber feine Rezepte enthalten sind… die für gekochten Fisch überwiegen. Heutzutage wird ja kaum ein Fisch gekocht, dabei gibt es oder soll man sagen gab es, eigens dafür vorgesehene Kochtöpfe, deren Form dem länglichem Fisch angepaßt ist.

Wir hatten einen Süßlippenbarsch aus Portugal. Der Fischhändler1 meinte, der schmecke so ähnlich wie ein Wolfsbarsch. Na dann! Ohne Empfehlung hätten wir uns an diesen exotischen Fisch nicht herangewagt. Da dieser Fisch von der Form her einer Dorade ähnelt, hätte er nicht in einen schlanken Fischtopf gepaßt. Wir haben also unseren Dampfgarer ohne dem Dampfeinsatz verwendet.

Pesce Lesso – gekochter Fisch im Artusi-Buch

Das Artusi-Buch ist so aufgebaut, daß zuerst das Originalrezept von Pellegrino Artusi angegeben wird, das danach unter dem Titel „So kocht der Meister“ fachmännisch kommentiert wird. Nun hat man die Wahl, ob man streng nach der italienischen Tradition kochen will oder die modernen Ratschläge miteinfließen läßt. Unser Rezept ist eine Mischung aus beiden. Die Rezepte sind keine Punkt-Für-Punkt-Anleitungen, Pellegrino Artusi plaudert aus dem Nähkästchen; trockener Stoff, wie der Untertitel „Von der Wissenschaft des Kochens“ verheißen mag, in dieser Form dargebracht, ist das nicht. Angezogen hat uns das Rezept für gekochten Fisch auch wegen der roten Rüben, die da als Zuspeis zum Einsatz kommen… für unseren Geschmack einigermaßen ungewöhnlich, bei Fisch, was uns das Rezept umso interessanter macht.

Gekochter Süßlippenbarsch mit roten Rüben, Kartoffeln und Mayonnaise (Rezept)

Die rohen roten Rüben in Salzwasser aufsetzen und kochen, bis sie durch sind. Das dauert ein Weilchen, eine halbe Stunde vielleicht. Dazu eine Marinade machen aus rotem Rübenessig, Olivenöl und Salz. Danach die Kartoffeln aufsetzen. Weiters Wasser für den Fisch (0,9 kg Süßlippenbarsch) aufsetzen, wenn es sprudelt salzen – für 1L Wasser nimmt man 1 gestrichenen TL Salz. Dann die 2 kleinen mit jeweils einer Gewürznelke gespickten Zwiebeln, 1 kleine Sellerieknolle, 2 Mohrrüben, einige Petersilienblätter dazu geben und eine Viertelstunde kochen lassen. In der Zwischenzeit den Fisch küchenfertig machen: Flossen abschneiden, Kiemen entfernen. Den Fisch mit Zitronenscheiben einreiben. In den Sud einlegen, erst wenn der Sud nicht mehr kocht. Der Fisch ist gar, wenn die Augen hervorquellen, die Haut sich beim Berühren ablöst und das Fleisch zart ist, so Artusi. Wir nahmen ihn nach ca. 15 Min. aus dem Kochsud heraus, als sich die Haut ablöste.

Mayonnaise so wie hier herstellen, nur statt Traubenkernöl Sonnenblumenöl und statt Zucker Honig.

Die Mengen im Artusi sind meist nur so in etwa angegeben, man kocht also nach Gefühl, so wie man eben kochen sollte.

Inspiriert von Pellegrino Artusi: Von der Wissenschaft des Kochens und der Kunst des Genießens, S. 157, Verlag Mary Hahn, Herausgeber der italienischen Ausgabe war Davide Paolini, erschienen 1991 bei Sperling&Kupfer, Edition S.p.A., Mailand. Wer sind die ominösen Meister, die unter „So kocht der Meister“ kommentieren? Es sind die fünf Köche, die am Ende des Kochbuches vorgestellt werden, tatsächlich große Meister ihres Fachs: Gianfranco Bolognesi („La Frasca“, Castrocaro Terme),  Arrigo Cipriani ( „Harry‘s Bar“, Venedig, tja wer kennt das nicht…), Gualtiero Marchesi („Gualtiero Marchesi“, Mailand), Fulvio Pierangelini („Gambero rosso“, San Vincenzo), Gianfranco Vissani („Vissani“, Baschi). Unsere Ausgabe ist von 1998, weshalb hier noch nicht gegendert wird, welch ein Genuß beim Lesen, welch goldene Zeiten waren das damals.

Wein: Im Artusi-Buch wird ein Trentino DOC Chardonnay empfohlen, dem konnten wir nicht habhaft werden, aber einem Chablis 2020 Domaine Jean Goulley aus La Chapelle-Vaupelteigne, einem Ort mit 91 Einwohnern, der tut es ja wohl auch…

1 Eishken Estate, Inzersdorf

Menü José Avillez

Das „Ikarus“ ist ein Restaurant, das sich jeden Monat neu erfindet. Jeden Monat kommt eine neue Karte, die die Speisen eines anderen Spitzenkochs in den Mittelpunkt stellt. So ist es, als ob man jeden Monat in einem anderen Restaurant sitzen würde. Man muss nur nach Salzburg kommen, um die Köstlichkeiten internationaler Spitzenköche erleben zu können. Für uns, die wir in Wien wohnen, ist es möglich, an einem Tag an- und am selben Tag wieder abzureisen. Und dazwischen das „Ikarus“ zu besuchen, um den Gaumen mit den feinsten Speisen zu verwöhnen.