Wir wissen wieder nicht, wie es geschehen konnte. Dieses Mal hatte der Schweinsbraten eine feine knusprige Kruste. Mein Frisör in der Innenstadt, den ich mit John Malkovich teile, hatte erzählt, daß ein Lokal ganz in der Nähe, dessen Wiener Schnitzeln mit Erdäpfelsalat weit über die Grenzen der Stadt bekannt sind, daß in dieser Gaststätte peinlichst genau auf die Mengen geachtet wird. So wurde erzählt, daß es zu einem Donnerwetter kommt, wenn einer der Köche den Erdäpfelsalat nicht genau nach den vorgeschriebenen Mengenangaben macht. Der schmeckt dann nicht so ausgezeichnet, wie man es gewohnt ist. Am Wochenende konnte ich mich in der Döblinger Dependance von der Perfektion dieses Erdäpfel-Vogerl-Salates persönlich überzeugen, natürlich akompagniert mit Wiener Schnitzel, also vom Kalb.
Wer genießt, der schweigt.
Andacht beim Schweinsbratenessen ist Normalität.
Selbige Aussage zur eminenten Bedeutung der Mengenangaben lief mir auch auf einer spanischen Internetseite über den Weg, Kein Geringerer als Ferran Adrià hat es angemerkt, Erfinder der Molekularküche. Da die Küchenfee freihändig kochte, wissen wir auch dieses Mal nicht, wie es zu diesem Ergebnis kam. Schweinsbratenkruste bleibt ein Lotteriespiel. Ein Rezept aufzuschreiben, ersparen wir uns, hat ja doch keinen Sinn. Gerne probieren wir es jedoch immer wieder.
Dieses fein ziselierte Meisterwerk von einer Kruste wird für immer ein Geheimnis bleiben. Wie bei den Alten Meistern der Barockzeit. Da weiß man heute auch nicht mehr so genau, wie sie das gemacht haben.
SchweinsbratenSchweinsbratenSchweinsbraten SchweinsbratenSchweinsbratenRest vom Schweinsbraten zum Mitnehmen fürs BüroErstes Ergebnis der Backtage – Punschsterne. Kommt noch mehr
Was gab es doch früher für herrliche Einrichtungen. Altweibersommer! Goldener Herbst! Sind alle dem Klimawandel zum Opfer gefallen. Gibt es nicht mehr. Altweibersommer wäre genau jetzt: Ende September, Oktober. Nach dem kalten Sommer, folgt nun auch noch ein kühler Herbst. Den Barockeseln im Burgenland mußten wir eine Absage erteilen. Wir sind zwar keine Partygriller, die gerne im Freien sitzen, aber ein bißchen Wärme könnte nicht schaden.
Möchtest du noch etwas? Oder bist du glücklich und zufrieden?
Hm, vielleicht noch ein bisserl von den Braterdäpfeln.
Passend zu den Temperaturen gibt es einen Zuckerhutsalat, unserer kommt aus dem Tullnerfeld. Dieses Wintergemüse kommt auch mit Minusgraden zurecht, von Alters her ein treuer Spender von Salaten in harten Wintern. In unserem Happel war ein Kukacka (ungarisch, Verkleinerungsform von Wurm, gesprochen kukatska), der sich so richtig schön durchgebohrt hat; – es hat ihm wohl geschmecket. Da er noch lebte, sehen wir das durchaus positiv: Wie der Kanarienvogel in der Kohlenmine bestätigt er uns, daß der Zuckerhut sauber ist.
Zuckerhutsalat mit Apfel
2 grüne Äpfel, Zitronensaft, 30 ml Kürbiskernöl, 1 EL Sherry-Essig, 1 EL Zitronensaft, 1 TL Honig, Salz, 1 Zuckerhutsalat, Kürbiskerne, Radieschensprossen oder andere Micro Greens.
Äpfel würfeln, mit Zitronensaft reichlich beträufeln, Kürbiskernöl mit Sherry-Essig, Zitronensaft, Honig, Salz zusammenrühren. Auf die gewürfelten Äpfel gießen, damit marinieren. Zuckerhutsalat in feine Streifen schneiden und kurz vor dem Servieren zum Apfel geben. mit Kürbiskerne bestreuen und ein paar Radieschensprossen darüber streuen.
Kochsalat mit Erbsen
20 g Butter, 20 g Weizenmehl, Rindsuppe vom Rindfleischkochen, 1 Happel Kochsalat, Salzwasser, 100 g aufgetaute TK-Erbsen, Salz, Petersilie
Butter auslassen, Weizenmehl dazugeben und eine helle Einbrenn (Mehlschwitze) machen. Die Rindsuppe dazugeben, bis eine cremige Soße entsteht. Kochsalat in Streifen schneiden, in Salzwasser blanchieren und. den Kochsalat ausdrucken, in den Topf geben, ebenfalls die TK-Erbsen dazu geben. wenn nötig etwas Rindsuppe dazugeben, mit Salz abschmecken und mit gehackter Petersilie einrühren.
Dazu Rösterdäpfeln. Mageres Meisl wie Tafelspitz kochen. Mit Kren servieren. Rindsuppe entsteht beim Kochen des Rindfleischs.
Mageres Meisl, so nennt sich ein Gustostück der Wiener Fleischteilung. Es befindet sich im vorderen Teil der Schulter, es ist also das Schulterscherzel. Ausländische Bezeichnungen für dieses Stück wie Chuck Tenderloin sind falsch und irreführend, das ist ein anderes Stück, dieses liegt im Nacken und ist fett, das magere Meisl jedoch in der Schulter, es ist ein Muskel und mager. Es hat schon einen Grund, warum es eine Wiener Fleischteilung gibt, mit seinen ganz eigenen Bezeichnungen. Unser Meisel hat etwa 1,5 kg, wir haben versehentlich zwei gekauft. Wir werden es zu verspeisen wissen…
Die passende Musik: Schubert, Winterreise. Alfred Brendel, Matthias Goerne, 2003, Wigmore Hall, London.
Würste haben in Wien eine lange Tradition, wie anderswo auch. Eines der Feinkosterzeugnisse, das Wien so einmalig macht und nicht wegzudenken ist, ist der Gabelbissen; – ein Mayonnaisesalat mit einer Einlage aus Fisch, Ei oder Wurst, überzogen mit Aspik.
Rezept Wiener Gabelbissen
Für 4 große Schüsseln: 5 rote Karotten, 1 gelbe Karotte, 3 Erdäpfel, 300 g TK-Erbsen, 250 ml Sauerrahm, 10 EL Mayonnaise, 500 ml Rinderbrühe, 6 Blatt Gelatine, 4 Eier, 3 Heringe, Salz
Das Gemüse würfeln. In Salzwasser bißfest kochen. Zum Schluß die TK-Erbsen dazugeben, aber nicht mehr kochen, die sind schon vorgekocht. Abgießen und gut abtropfen lassen. Den Sauerrahm mit der Mayonnaise und Salz vermischen. Die Gemüsewürfel vorsichtig unterheben, die Rinderbrühe aufkochen, vom Herd ziehen und die zuvor eingeweichten und ausgedrückten Gelatineblätter einrühren. Ein bißchen auskühlen lassen. Die Gemüsemayonnaise in die Formen verteilen. Heringe und hart gekochte und halbierte Eier darauf verteilen. Die Rinderbrühe mit Gelatine vorsichtig darüber schütten. Im Kühlschrank zirka 3 Stunden kaltstellen.
Gabelbissen ißt man als schnellen Happen zwischendurch, mit einer Semmel oder einem Salzstangerl, etwa zum Gabelfrühstück. Als Erfinder des Gabelbissens gilt die Firma von Carl Warhanek. Die Warhanekgasse im 21. Bezirk Donaustadt hat damit nichts zu tun, sie ist nach einem Wiener Juristen benannt. Carl Warhanek kam aus Böhmen.
Warhanek lernte sein Handwerk in der französischen Hafenstadt Marseille und gründete 1858 eine Fischkonservenfabrik in Wien. Dort erzeugte er Renner wie den Gabelroller in böhmischer süß-saurer Marinade und den Gabelbissen. Bald gab es Verzweigungen in die Doppelmonarchie etwa nach Budapest; auch in Böhmen, Mähren und Galizien wurden Betriebe gegründet. Warhanek wurde k.u.k Hoflieferant.
Der Name Warhanek und der Wiener Gabelbissen sind untrennbar miteinander verbunden.
Auch wenn in Wien heute nichts mehr daran erinnert. Carl Warhanek ist eine Galionsfigur der Gründerzeit der Doppelmonarchie.
In der Zwischenkriegszeit übernahm Josef Wojnar das Geschäft mit den Gabelbissen. Eine Gedenktafel für den Großindustriellen aus Böhmen hängt in seinem Geburtsort in Polná, im heutigen Tschechien; in Wien wüßt‘ ich jetzt nichts. Heute gibt es noch Erzeugnisse der Firma „C. Warhanek“, wie etwa die Teufelsroller, die Gabelroller – Heringsfilets in pikanter bzw. schlicht in Marinade – und die allseits beliebten Russen im Glas; – das sind ebenso Heringe in Marinade, aber nicht gerollt, sondern aufrecht geschlichtet; – beliebt vor allem in der Faschingszeit.
Den Wiener Gabelbissen ißt man aus der Schüssel. Unser Gabelbissen ist viel größer als der Gabelbissen von Wojnar.
Alles selbstgemacht, auch der Spinat. Die Küchenseptim waren:
Fisolensalat mit Dille (Grüner Bohnensalat)
Spinat
Geröstete Erdäpfeln (Röstkartoffel)
Semmelkren (Brötchenmeerrettich)
Schnittlauchsoße
Apfelkren (Apfelmeerrettich)
Oberskren (Sahnemeerrettich)
Das Rindfleisch war einmal vom Angus und einmal vom Pinzgauer, beide aus Österreich. Leider wissen wir nicht, um welches Fleisch genau es sich handelte; es wird nur als Tellerfleisch / Siedefleisch bezeichnet; das kann ein Brustkern, Kruspelspitz oder Kavalierspitz gewesen sein, beim Pinzgauer: Schulterscherzel, Tafelspitz, oder anderes.
Mir hat das österreichische Rindfleisch, das Pinzgauer, besser geschmeckt.
Zugegeben, es war keine Blindverkostung.
Leider hat die Gepflegtheit der Wiener Küche etwas gelitten, weshalb man heutzutage nicht mehr die einzelnen Rindfleischstücke unterscheiden mag, nach der Wiener Teilung. Trotzdem, das Fleisch war ausgezeichnet, die sieben Beilagen, und dazu die Suppe; – ein Schmaus der Extraklasse! Ein Hoch auf die Hofköchin und ihre außergewöhnlichen Kochkünste!
Das hätte ich nicht gedacht, daß man früher eine Eierspeis als Vorspeise zu einem Mittagessen gegessen hat. Bei uns ging es als vollwertiges Mahl durch, zumal ja bei uns ein Paarl Frankfurter hinzukam, gemacht wie zu Lebzeiten des Erfinders Johann Georg Lahner.
Rezept Wiener Eierspeis
(Hess, um 1935)
12 Eier, Salz, 70 g Butter
Die Eier mit Salz gut vermischen. In einer Pfanne die Butter heiß werden lassen, die Eier hineingeben. Mit zwei Gabeln immer wieder auflockern, bis die Eier geronnen sind. Mit Schnittlauch bestreuen. Man serviert Schwarzbrot dazu oder gibt die Eier auf die Schwarzbrotschnitten.
Gefunden in „Die Wiener Küche“ von Ingrid Haslinger auf S. 236, im Kapitel „Mittagessen“, Unterkapitel „Vorspeisen“.
Die Hofköchin hat die Eierspeis für eine Portion gemacht, wir rechnen mit 3 Eiern pro Portion. Was versteht man unter auflockern? Die Hofköchin meint, vorsichtig das schon Gestockte aufheben und das Flüssige darunter fließen lassen, ich hätte es umgerührt. Aber ich glaube die Hofköchin liegt richtig, sonst wäre es ja Rührei geworden.
Das Besondere dabei ist, daß kein Pfeffer hinzukommt, wie wir es sonst gewohnt sind. Und auch keine Zwiebel, so schmeckt man den Geschmack der Eier voll heraus.
Vor ein paar Tagen habe ich mir „Der Clou“ („The Sting“) angeschaut, eine Gangsterkomödie mit dem kürzlich verstorbenen Robert Redford, die im Chicago der 1930er Jahre spielt. In einer Szene war die Rückwand eines Karussells zu sehen, mit Werbetafeln, unter anderem stand da: „Vienna Sausage & Polish Sauce“. Was ist eine polnische Soße? Und wie konveniert die mit den Würsteln? Oder hat Hollywood da ein bisserl was durcheinandergehaut?
Fast 5 kg Fleisch wurde zu Gulasch verarbeitet, wobei alles bis auf das Kalbfleisch in einem großen Topf gekocht wurde.
1,3 kg Bio-Alpenfleisch Tirol
1,1 kg Bio-Weidebeef Schreckbauer
1,4 kg Hintere Nachwade
1 kg, Kalbsrosé
Ist das Gulasch nun eine ungarisches Gericht oder ein österreichisches?
So einfach ist die Frage nicht zu beantworten. Ursprünglich stammt es aus Ungarn, von den Hirten der Rinderherden, gulyás heißt ja auch auf ungarisch „Hirte“. Doch Wien wurde zur Gulaschhauptstadt! Das Gulasch wurde von den Wienern begeistert als Bereicherung aufgenommen. Anfangs nannte man es „Ungarisches“ oder „Wiener Kollaschfleisch“, und so fand es rasch Eingang in die Wiener Küche. 50 verschiedene Gulaschsorten listet Ingrid Haslinger in ihrem Buch „Wiener Küche – Kulturgeschichte und Rezepte“ auf. Und dabei sind nur die mit Rindfleisch erwähnt, und davon gibt es noch mehr. Die Wiener Bevölkerung hatte eine Leidenschaft erfüllt. Ein Wirtshaus, das etwas wert auf sich legte, hatte ein eigenes Gulasch auf der Speisekarte, das sich oft nur in einer bestimmten Einzelheit von anderen unterschied und meist nach dem Wirtshaus benannt war.
Gulasch ist ein Gemeinschaftserzeugnis von Ungarn und Wien wie so vieles. Es ist ein bisserl wie bei Arnold Schwarzenegger; – der ist ja bekanntlich in der Steiermark geboren und hat in den USA Weltkarriere gemacht.
Bald hatte man auch erkannt, daß das Gulasch ein einzigartiger Zauber umwob, als wär es von Joanne K. Rowling erfunden. Je öfter man es aufwärmte, desto besser schmeckte es! Da entfaltete es erst sein Aroma! Sowas kann man nicht erfinden.
Es riacht nach’n Gollasch vom vurigen Tag, ´s is nämlich erst als a aufgwarmter guat!
Berichtete ein gewisser Eipeldauer, nach Ingrid Haslinger „Wiener Küche“, mandelbaums feine gourmandisen, 2018, S. 98
Das muß ich jetzt eh nicht extra sagen, daß die Hofköchin das Gulasch oder besser gesagt die Gulasche, es waren ja mehrere, schon am Samstag zubereitet hat.
Urungarn hatten getrocknetes Fleisch und Tarhonya dabei; Tarhonya ist ein getrockneter Eierteig, der zu kleinen Kugerln, Graupen genannt, gerollt wird. Und so gibt es auch bei uns ein Gulasch mit Tarhonya. Folgende Gulasche wurden von der Liste bei Ingrid Haslinger ausgesucht:
Andrassy-Gulasch Rindsgulasch, mit Rohscheiben und Topfenhaluschka
Topfenhaluschka ist ein ungarisches Nudelgericht mit Topfen notabene.
Rohscheiben: so nennt man in Wien die Kartoffelchips, weil sie roh ins heiße Fett geworfen werden er. Berühmt sind die Rohscheiben vom Schweizerhaus im Prater, sie werden auf einem Teller serviert. Dazu ein Krügerl Budweiser und – paßt!
Damengulasch Saftgulasch mit Erdäpfelnudeln, mit harten Eiern und gehackter grüner Petersilie
Esterhazy-Gulasch Rahmgulasch mit in Julienne geschnittenem und in Butter gedünstetem Wurzelwerk
Pester Gulasch Saftgulasch mit grünen Paprikawürfeln und Tarhonya, benannt nach dem Stadtteil Pest in Budapest. Die frischen Paprika machen einen großartigen Kontrast.
Obendrein wurde auch ein Kalbsgulasch gemacht. Die Hofköchin hat sich nicht lumpen lassen.
Paprika ist ein wesentlicher Bestandteil von Gulasch. Fürs Papriciren nahmen wir echtes ungarisches Paprikapulver, das wir beim Meinl am Graben erstanden, und zwar einmal scharf und einmal edelsüß. Die Kunst besteht nun darin, soviel Paprikapulver von der einen als auch von der anderen Sorte zu nehmen, daß es zu einem ausgewogenen Geschmackserlebnis kommt. Manche Köche werden schon vom Kochen satt.
Wir haben nicht auf Rezepte aus dem Buch von Ingrid Haslinger zurückgegriffen, sondern auf ein altes original ungarisches Familienrezept von der Hofköchin.
Rezept Ungarisches Gulasch (altes Familienrezept)
4 Scheiben 3 mm dicken Mangalitza-Speck in einer großen Kasserolle auslassen. 1 kg fein gehackten Zwiebel darin anschwitzen. Wenn Zwiebeln goldbraun sind, also etwas mehr als glasig, die Fleischstücke dazu geben. Bis auf das Fett herunterköcheln, dauert zirka 40 Minuten. 4 gehäufte EL süßes Paprikapulver dazugeben und 2 TL scharfes Paprikapulver. 3 TL gemahlenen Kümmel, 3 TL Waldviertler Majoran, Herd zurückdrehen, damit das Paprikapulver nicht bitter wird. Verrühren. Mit Wasser auffüllen, bis das Fleisch bedeckt ist. Salz und 8 geriebene Knoblauchzehen dazugeben. 3 Tomaten und 2 entkernte grüne Paprika dazugeben. Einmal aufkochen und auf mittlerer Hitze köcheln lassen, etwa 1 ½ bis 2 Stunden, zugedeckt. Wenn nötig, Wasser nachfüllen. Hin und wieder umrühren.
Die Gulasche werde ich ins Büro mitnehmen, jeden Tag ein Gulasch – aber immer ein anderes!
Nach diesem besonderen Wochenende kramte ich einen 10 Jahre alten St. Laurent hervor, von Umathum in Frauenkirchen.
Gabelfrühstück ist nicht mehr à la mode und das hat seine Gründe. Als früher die Bierkutscher die Pferde zur Tränke führten, genehmigten auch sie sich eine kleine Pause: ein Gabelfrühstück, das sie in der Schwemm, einem abgesonderten Raum, meist im Souterrain eines Lokals, zu sich nahmen. Mit der Motorisierung wurde diese Pause überflüssig. Nur Fiaker und Taxifahrer schätzen noch ein Gabelfrühstück in unserer heutigen Zeit.
Heute an diesem Sonntagmorgen gibt es Würstel mit Saft, ein klassisches Gabelfrühstück. Das Gabelfrühstück ißt man so um 10:00 Uhr. Von Würstel mit Saft bekommt man richtig Durst und zwar nach Bier, was wohl an dem beiliegenden Rindsgulaschsaft liegt, der mit den fleischigen Frankfurtern so wunderbar convenirt. Nun verstehe ich, warum der Bierverbrauch damals so hoch war. Ich habe mir auch eines genehmigt, ein Gösser, allerdings ein alkoholfreies.
Rezept Würstel mit Saft
(Arpadi, um 1890)
4 Paar Frankfurter, ¾ l klare Gemüsesuppe, ¾ l Rindsgulaschsaft mit einigen Fleischstückchen
Die Frankfurter einige Male mit einer Nadel einstechen, die Würstel in die Gemüsesuppe legen und leicht sieden lassen. Gulaschsaft erhitzen. Frankfurter auf ovale Teller legen, in die Mitte ein paar Fleischstückchen und Saft geben. Mit Semmeln servieren.
Zitiert nach S. 231, Ingrid Haslinger, Die Wiener Küche, 2018, mandelbaum verlag, ein ausgesprochen empfehlenswertes Buch.
Die Hofköchin hat die Frankfurter Würsteln nicht mit der Nadel eingestochen. Man muß das auch nicht; man macht das nur, wenn man sicher gehen will, daß die Würstel nicht platzen. Aber mit ein bißchen Übung schafft man es auch ohne.
Es gibt auch noch andere Speisen, die als Gabelfrühstück verzehrt wurden. Eine davon ist der Wiener Gabelbissen von der Firma C. Warhanek, die ihn auch erfand. Das ist ein Mayonnaisesalat, auf den eine Scheibe Wurst, ein halbes Ei kam oder das mit einem Heringsstück belegt wurde; – das hat mir besonders geschmeckt. Alles wurde mit Aspik überzogen.
Beim Feinkost Böhle auf der Wollzeile, das auch ich seinerzeit frequentierte, als es noch bestand, gab es selbstgemachte Gabelbissen.
Dort wo früher das Brüllen und Stampfen der Stiere von weitem schon zu hören war: das der Langhörner aus Ungarn, und das jener rotbraunen Rinderrasse österreichischer Herkunft; – an der Viehmarktlinie des Central-Vieh-Markts in St. Marx, – wo einer der alten Linienwälle der Stadt stand, zum Schutz vor räuberischen Einfällen aller Art… geht es heute beschaulicher zu. Ein Radweg führt an der Toranlage vorbei, im ehemaligen Portierhaus hat sich eine Bäckerei niedergelassen, etwas weiter davon ein Kaffeehaus mit Schanigarten; – alles in allem eine verkehrsberuhigte Zone zum Entspannen. Nichts erinnert mehr an die tödliche Gefahr; – die bis heute erhaltene Rinderhalle des nahe dem Viehmarkt gelegenen Schlachthofs St. Marx wurde in einen Veranstaltungsort umfunktioniert, eine Privatsendergruppe hat ihr Firmengebäude auf der anderen Seite.
Am Viehmarkt wurden die für die Schlachtung vorgesehenen Rinder, Schweine usw. verkauft.
Die beiden Stiere allerdings, auf den Podesten links und rechts des Linientores, verraten einem noch etwas von der unbändigen Kraft, der hier an der Viehmarktlinie vor langer Zeit Einhalt geboten werden mußte; – so wie man es auch auf einem Holzstich eines Aquarells von 1890 erahnt, dessen Kopie ich jüngst habhaft werden konnte. Ein Gruß aus dem alten Wien sozusagen. Auf dem linken Sockel steht ein ungarisches Steppenrind mit einem Hirten, auf dem rechten ein Pinzgauer Rind mit einem Fleischergesellen; alle von imposanter Statur, vor Kraft strotzend. In Stein gemeißelt wurden sie von dem österreichischen Bildhauer Anton Schmidgruber.
[…]Das zumeist aus Ungarn getriebene Vieh passiert die Linie meist gar nicht, sondern wanderte an derselben vorüber zu den Schlachthäusern von Gumpendorf. Der gewaltige Verkehr, den dieser Viehhandel mit sich bringt, der geht durch das Linientor, und drängt alles andere in den Hintergrund. Selbst der großartige Biertransport, der auf dieser Straße von Klein-Schwechat und St. Marx, den Hauptbierquellen Wiens, in die Stadt geht, verschwindet fast neben dem Viehmarktverkehr. Auch sonst wird Wien noch durch die St. Marxer Linie verproviantiert, denn neben Fleisch und Bier kommt auch das Gemüse für die Wiener Küchen aus dieser Richtung. […] Es sind die Simmeringer Haide und die St. Marxer Gärtner […]
Zitiert nach einem Zeitungsartikel, der der Kopie des Holzstichs beilag, leider undatiert, vermutlich um 1892.
Heutzutage dringt nicht ein Stier mehr durch das Linientor, es ist durch Poller abgesperrt.
Das Steppenrind aus Ungarn erfuhr eine neuerliche Verbreitung; – das Pinzgauer Rind, dieses Kulturgut aus Österreich, gehört zum wenig erlauchten Kreis der gefährdeten Haustierrassen. Dabei verfügt es über eine außergewöhnliche Fleischqualität; – Auch der allfällig kommende Beitritt der EU zum Mercosur-Abkommen mit Südamerika wird uns nicht von „unserem“ Fleisch abhalten. Denn ein richtig gutes Gulasch oder ein gekochtes Rindfleisch geht nur mit Rindern aus Ungarn oder Österreich. In der nächsten Folge von Küchenereignisse gibt es gleich mal Gulasch, die Küchenfee ist bereits heftig am Werken. Es wird Gulasch geben…. von noch nie gehörter Art, sogar ein sogenanntes Damengulasch ist dabei.
Frankfurter Würstel mit Senf und Kren sowie Scherzel
Ich weiß jetzt wie echte Wiener Würstel schmecken! Wurschtig, kräftig, und saftig sind sie! Nun verstehe ich Adalbert Stifter, der sie sich hat aus Wien schicken lassen. Lassen wir ihn gleich zu Wort kommen:
Der Oberösterreicher Adalbert Stifter war einer der guten Kunden Lahners. Er bestellte bei einem Wiener Freund immer wieder Würstelsendungen, wobei der Transport das schwierigste Problem darstellte: „Kaufe mir für das Geld“, schrieb er, „welches in diesem Briefe liegt, so viele so genannte Frankfurter Würstel, als du bekömmst, wenn du vorher die Schachtel bezahlt hast, in die du die Würstel tun musst, damit sie mir überbracht werden. Aber höre und überlege wohl: du darfst die Würstel nur bei kaltem Wetter senden.“
Stifter nennt die Wiener Würstel also Frankfurter; – weil Lahner, dem sie eingefallen sind, sie so benannte. Ursprünglich hatte er sie Lahnerwürstel genannt, schwenkte dann aber um auf Frankfurter. Nun, Ehre wem Ehre gebührt – dem fränkischen Fleischermeister, der offenbar seiner Lehrstadt ein Denkmal setzen wollte; – nennen wir sie also Frankfurter! Überhaupt ist es in Wien üblich, Würste nach Städten zu benennen: Debrecziner, Mailänder, Augsburger, Kalbspariser, Münchner, Krakauer, Braunschweiger (Dürre), Nürnberger, Käsekrainer, Preßburger (heute Extrawurst), Budapester gibt es hier, auch Wiener, vielleicht auch das ein Grund für Lahner, die neuen Würsteln Frankfurter zu nennen und keinesfalls Wiener.
Frankfurt am Main ist nämlich die Stadt, wo Johann Georg Lahner sein Handwerk erlernte. Danach ging er als Fleischergeselle auf die Walz. Er verdingte sich auch als Ruderknecht, und so kam er stromabwärts nach Wien. Hier begab es sich, daß der fesche Oberfranke eine resche Wienerin kennenlernte; – und eine Dynastie war begründet. 1804 wurde er Fleischermeister, eröffnete eine Selcherei in Wien und 1805 erfand er die Frankfurter. 1832 vergrößerte er sich, dank des enormen Andrangs, den seine Frankfurter in der Wiener Bevölkerung auslösten.
Was der Lanner fürs Herz, ist der Lahner fürn Magen!
Wiener Volksmund.
Aber auch Persönlichkeiten wie Adalbert Stifter, Franz Grillparzer, Johann Nestroy, Franz Schubert und Johann Strauß waren große Verehrer der Würsteln vom Lahner. Erzeugt wurden sie später auch in Mailand (1842), Amsterdam (1861) und endlich auch in Linz (1865), — reichlich spät für Adalbert Stifter, dem nur mehr wenige Jahre verblieben. Weltausstellungen in Paris (1855) und Übersee (1893, Chicago) taten ihr übriges und machten die Frankfurter weltweit berühmt. Als Hot Dog kehrten die Frankfurter wieder zurück nach Wien. 1950 wurden die Berner Würstel erfunden, Frankfurter mit Käse gefüllt und Speck umwickelt; aber nicht in Bern/ Schweiz, wie man vielleicht denken mag, sondern in Zell am See/ Salzburg, von einem Koch namens Erich Berner senior.
Warum die Frankfurter Würsteln in Wien und nicht etwa in Frankfurt erfunden wurden, liegt schlicht und einfach an der Tatsache, daß man in Deutschland gewohnt ist, Regelungen rigoros einzuhalten.
Es geht mal wieder um die Wurst.
Gesetze, Bestimmungen, Verordnungen, Regelungen usw. sind einzuhalten. Da ist man in Deutschland von je her sehr genau. Manchmal ist das von Nachteil.
Was die Wurst betrifft, so sind Schweinefleisch und Rindfleisch getrennt zu verwurschten, deroselbstige sind zum Zwecke der Wurstherstellung nicht miteinander zu vereinigen; so oder so ähnlich könnten die ehernen Gesetze der Metzgerzunft der Stadt am Main gelautet haben; – Wien ist anders. In Wien konnte der deutsche Metzgermeister machen, was er wollte – und erfand eine Wurst gemischt aus Rind- und Schweinefleisch.
Keine Wimpeln am Haus, keine Straße, die nach ihm benannt ist, kein Ehrengrab am Zentralfriedhof, das wurde 1975 eingeebnet – und kein Museum. Man wundert sich ein bisserl, wie die Stadt mit Lahner umgegangen ist, wo sie doch sonst so großzügig Fachleuten jeglicher Couleur ihre Aufwartung macht. Das Wiener Würstel, respektive sein Erfinder, hat sich diesen Rang offenbar nicht verdient; obwohl es im Rest der Welt so berühmt geworden ist. Nur eine verwitterte Plakette ist am Haus in der Kaiserstraße angebracht, zwischen zwei Fenstern, leicht zu übersehen, – und erinnert an den großen Fleischermeister aus Oberfranken. Die Küchenfee hat im Auftrag von Küchenereignisse alles abfotografiert, auf der Suche nach Resten des 1967 geschlossenen Betriebs.
Inschrift auf der Plakette auf der Kaiserstraße 99, 7. Bezirk Neubau, Wien:
In diesem Hause Kaiserstr. 99 / Neustiftg. 112, früher mit der Bezeichnung Am Schottenfeld No. 54, stellte die Fleischselcher- und Fleischhauermeisterfamilie LAHNER von 1832 bis 1967 die nur in Wien als FRANKFURTER, auf der ganzen Welt jedoch als WIENER bekannten Würstel her. Der Dynastiegründer JOHANN GEORG LAHNER (1772 – 1845) aus Gasselsdorf, einem kleinen Ort in Franken, Bayern stammend, erlernte den Metzgerberuf in Frankfurt a. M. Auf der Walz nach Wien kommend, verblieb er in der Kaiserstadt und gründete Am Schottenfeld No. 272, heute Neustiftgasse 111 im Jahre 1804 eine eigene Selcherei. Dortselbst erzeugte er erstmals 1805 die weltbekannte Wurstfeinmischung LAHNER – Würstel, die er dann in dankbarer Erinnerung FRANKFURTER nannte.
Gewidmet 1994 von der Landesinnung Wien der Fleischer
Wir stellen zwei Gerichte vor:
Frankfurter mit Senf und Kren und einem Scherzel
Frankfurter mit Kelch (gesprochen Kööch)
Kelch nach einem Rezept aus dem Kochbuch für ländliche Haushalte, Meindl-Dietrich, Lechner, Österreichischer Agrarverlag, 2003, 60. Auflage, Schulbuchnummer 1987, „Kelch, eingebrannt“, S. 89:
75 dag Kohl, Salz, 4 dag Fett, 4 dag Mehl, 15 dag Kartoffeln, Knoblauch, Majoran.
Grobgeschnittenen Kohl, rohe Kartoffelwürferl in wenig Salzwasser weichkochen, stampfen, Einbrenn hinzufügen, aufkochen, mit Knoblauch und Majoran abschmecken.
Anmerkungen:
Kohl ist Wirsing.
Eine Einbrenn ist eine gebräunte Mehlschwitze.
Ur-Frankfurter nach J. Lahner 1806 von der Fleischhauerei und Selcherei Windisch in Wiener Neustadt.
Ein Halt zu Hause fungiert als Dreh- und Angelpunkt zwischen dem Ritt über den Großglockner und dem Dahingleiten im Waldviertel. Ein archimedischer Punkt, der die beiden Ausfahrten in Beziehung setzt. Was wäre dafür besser geeignet, in kulinarischer Hinsicht, tatsächlich, als gekochtes Rindfleisch auf die klassische Art, d.h. also mit Spinat, Kochsalat mit Erbsen, gebratenen Heurigen, Apfelkren und Schnittlauchsoße. Ohne Spompanadln, aber excellent gemacht.
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