Selbstgemacht schmeckt am besten

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Das Not-Invented-Here-Syndrom beschreibt, warum einem Selbstgemachtes am besten schmeckt. Es sind die eigenen Ideen, in die man sich verliebt. Der Verfasser eines schlauen Buches über Fallen, die das Leben stellt und denen man besser entgehen sollte1, hatte eines Tages beschlossen, mal selbst zu kochen, eine Seezunge, und zwar mit einer Fischsoße, nach einem Rezept, das er selbst erdacht hat. Er fand seine Soße herrlich, seine Frau scheußlich. 2 Wochen später gab es wieder Seezunge, dieses Mal kochte seine Frau. Es gab 2 Soßen dazu, die eine war die klassische Buttersoße des Hauses, über jeden Zweifel erhaben; und die andere eine Kreation eines Küchenchefs aus Frankreich. Die zweite fand er scheußlich. Da eröffnete ihm seine Frau, daß die als von einem hochdekorierten Küchenchef ausgegebene Kreation in Wahrheit seine eigene war, die er ihr vor 2 Wochen serviert hatte,- seine Frau hatte ihn des Not-Invented-Here-Syndroms überführt: es schmeckte ihm die Soße nur deshalb so überragend gut, weil er sie selbst gemacht hatte.


Das sollte uns eine Warnung sein, die wir die selbstgemachten Speisen preisen! Das NIH-Syndrom lauert immer und überall, so auch in der Küch: wer seine Speisen Marke Eigenbau, spontan am Küchentisch erfunden, einem Kochbuch vorzieht, mit tausendfach bewährten Rezepten, der unterliegt dem NIH-Syndrom, ganz außerordentlich! Außer man ist selbst ein begnadeter Küchenchef und kann sich gar nicht zurückhalten, vor lauter fantastischen Einfällen, ein Michelangelo der Kochkunst. Aber Genies sind bekanntlich rar gesät.


In der Fotostrecke ein paar Gerichte der letzten 6 Tage die dem Prinzip Unaufgeregtes, nicht selbst Erfundenes folgen. Aber selbst gekocht natürlich ist es schon!

1 Rolf Dobelli: Die Kunst des klugen Handelns, München, 2020

Tafelspitz, Schulterscherzel und dicker Spitz

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Die Wiener Küche ist eine Rindfleischküche – wenn auch andere Fleischsorten wie Schwein und Huhn vielfältige Verwendung finden, man denke nur an das Backhenderl oder den Schweinsbraten; aber das Rind ist das Hervorstechendste der Wiener Küche. Nirgendwo auf der Welt wird so viel Rindfleisch gekocht wie in Wien, nirgendwo wird es so hoch geschätzt wie in Wien, – auch heute noch, immer noch gibt es Rindfleischtempel wie das Hietzinger Bräu im dreizehnten Bezirk. Wir haben Tafelspitz, Schulterscherzel und dicken Spitz1 gekauft in der Fleischerei Ringl2, zusammen sind das 3 kg. Ein jedes Fleischstück schmeckt anders, sie  können aber allesamt im gleichen Topf gekocht werden, wie uns Fr. Ringl sagte, ein bisl aufpassen muß man aber schon: der Brustspitz zB den haben wir zwar nicht aber der braucht länger, wie man bei Haslinger3 erfährt.

Steak oder Tafelspitz – was meinen Sie?

Das Wort Steak kommt vom altnorwegischen steik4, was so viel wie Rösten bedeutet. Die Urform der Fleischzubereitung: man macht Feuer und hält ein Stück Fleisch auf einem Spieß darüber. Beim Kochen von Rindfleisch brauchts ein bisserl mehr, einen Kessel mit Wasser, den man über dem Feuer befestigen muß, man muß den braunen Schaum abschöpfen oder das Wasser komplett wechseln, und dann langsam köcheln lassen, das dauert länger, Rindfleischkochen ist aufwendiger. Die Maillard-Reaktion verwandelt das Fleisch beim Braten, etwas Neues entsteht, die Röststoffe. Das Kochen verändert das Fleisch nicht, vielmehr bewahrt es die Eigenheit des Fleisches und bringt den Eigengeschmack noch stärker hervor. Gekochtes Rindfleisch ist etwas für Fleischliebhaber, die in das Fleisch hineinschmecken wollen, die das Fleisch selbst schmecken wollen und nicht die Röststoffe, die erst beim Grillen entstehen. Aber in der Kochkunst gibt es kein Schwarzweißdenken, vielerlei gefällt, auch ein saftiges Steak ist nicht zu verachten. In unserer Zeit ist das gekochte Rindfleisch ins Hintertreffen geraten und läuft Gefahr, vergessen zu werden. Das wäre schade, wenn‘s nur mehr Steikhäuser gibt, und das in Wien, der Hochburg des Gesottenen.

Die Zubereitung von gekochtem Rindfleisch ist immer gleich, deshalb fingen alte Kochbücher oft an mit „Nimm gesottenes Rindfleisch…“5 Wir haben die Rindfleischstücke in einem großen Kochtopf mit Wasser aufgesetzt, aufgekocht und das solange wiederholt, bis das Wasser klar blieb, drei Mal. Dann kommen hinein: eine an den Schnittflächen angebrannte Zwiebel, gelbe und rote Karotten, Petersilienwurzel, Sellerie, Petersilgrün, eingerissenes Lorbeerblatt, Liebstöckl, Wacholderbeeren, Pfefferkörner und Pimentkörner. Und dann 2 Stunden köcheln lassen. B e i l a g e n Cremespinat, Kochsalat mit Erbsen, gebratene Kartoffeln, frischgerissener Kren6 und Semmelkren. Eine Beilage haben wir herausgepickt:


S e m m e l k r e n  Schneidsemmel7 in dünne Scheiben schneiden und mit Rindsuppe übergießen, mit einem Schneebesen zerschlagen, mit weißem Pfeffer, Salz, Muskat und Zitronensaft abschmecken, etwas Butter einrühren, den gerissenen Kren dazu geben und verkochen. Man rechnet mit 1 EL gerissenen Kren pro Semmel8.

W e i n b e g l e i t u n g : Grüner Veltliner, Loibner, F.X. Pichler, Wachau, 2022

Schlußbemerkung

Das Schulterscherzel schmeckt mir am besten. Man sollte die Fleischstücke in der Suppe belassen, damit sie nicht auskühlen. In einem Gasthaus werden die Fleischstücke in einer Pfanne mit Suppe warm gehalten und man hebt sich nur das Stück heraus, das man gerade essen möchte.


1 Nach der Wiener Fleischteilung. Dicker Spitz nennt man auch fettes Meisel oder Kragenstück.

2 Fleischerei Ringl, Gumpendorfer Str. 105, Wien-Mariahilf

3 Ingrid Haslinger, Tafelspitz & Fledermaus, Wien 2005. Auf S. 73 zitiert aus einem alten Wiener Kochbuch von Anna Bergmann „Gewöhnliches, zum Kochen bestimmtes Rindfleisch kann man nach Belieben wählen, zB Ortsscherzel, mittleres Schwanzel, Hüferschwanzel, Schulter, Rieddeckel, auch zur Abwechslung Brustkern, Kruspelspitz, auch dicken Spitz, nur muß der Brustkern länger kochen als alle anderen Stücke.“ Anna Bergmann, Wiener Küche, Wien, 1889

4 Zur Herkunft des Wortes Steak. Das Oxford Dictionary: Steak ORIGIN Middle English; from Old Norse steik; related to steikja ‘roast on a spit’ and stikna ‘be roasted’. The American Heritage: Dictionary of the English Language schreibt unter dem Wort steak als aus dem Middle English steike < Old Norse steik stammend. Verweist auf den Anhang zu steig-: from Old Norse steik, roast, steak, and steikja, to roast (on a spit), from Germanic staikō. KLUGE Etymologisches Wörterbuch: entlehnt aus dem neuenglischen steak, verweist auf die germanische Verwandtschaft zu „stechen“. Dazu altnordisch steikja „am Spieß braten“. Nun ist das Wort Steak zurückeingewandert.

5 Ingrid Haslinger, Wien, 2005, S. 68

6 Meerrettich

7 altbackenes Brötchen

8 nach Franz Maier-Bruck, Das große Sacher-Kochbuch, Wien, 1975, S. 162

Igelwurscht mit Kohlrabi

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Knacker sind so wie Augsburger, nur daß sie geselcht sind und dadurch noch besser schmecken… also nahmen wir Knackwurst. Der Klassiker, benannt nach der Mozartschen Stadt, der Vater Mozarts war Augsburger, wird am besten kombiniert mit Kohlrabi. Aber auch mit gerösteten Erdäpfeln schmecken sie gut, wie uns Fr. Ringl von der Fleischerei Ringl1 erzählte, heute morgen um 7:00 Uhr.

„Igelwurscht“ war ihr geläufig. Augsburger werden so genannt, weil die Wurst, wenn man sie kreuzweise einschneidet, in die Höhe steht, nach dem Braten, wie Stachel bei einem Igel. Eine andere Methode ist, die Augsburger quer einschneiden, dann hat der Igel gewellte Haare, aber dann ist er kein Igel mehr. Ich war bislang der Meinung, das Wort kenne oder kannte man nur in Wien, bis ich über die Igelwurscht in Katharina Seisers neuem Kochbuch2 stolperte. Sie schreibt, daß bei ihnen im oberösterreichischen Traunviertel ein Freund beim Anblick dieses Gerichts erfreut „Igelwurscht!“ ausrief. Vielleicht war der Freund ja aus Wien, dachte ich mir. Im Internet findet man „Igelwurst“ zuhauf: Igel-Bockwurst mit Spaghetti, Igelwürstchen aus der DDR, etc. Sie scheint ein Grundbaustein der deutschen wie der österreichischen Küche zu sein.

Augsburger mit Kohlrabi ist ein Klassiker, ein Arme-Leute-Essen könnte man heute sagen, früher aß das praktisch jeder.

Kein Beinbruch wenn man die Kohlrabi zu lange dämpft. Die sollen weich sein, nicht knackig.

Woher der Name kommt, ist mir nicht bekannt. Vielleicht war es ja ein zugereister Augsburger, der in Wien diese Würste erfand. So war das auch bei den Frankfurter.

I g e l w u r s c h t m i t K o h l r a b i Wasser in einem Topf mit Dämpfeinsatz aufsetzen. Die Kohlrabi schälen, stifteln. Die Blätter nicht wegschmeißen3. Kohlrabi dämpfen, zirka 20 Minuten lang, bis sie ganz weich sind. In der Zwischenzeit von der Knacker die Haut abziehen, halbieren und am Rücken igelförmig einschneiden, also eng kreuzweise und tief. 10 Min. vor Ablauf der 20 Minuten in einer gußeisernen Pfanne etwas Öl etwas erhitzen und bei mittlerer Hitze (bei uns Stufe 6) die Igelwurscht rundherum braten, zuerst auf der glatten Seite. Von den Kohlrabiblättern die harten Blattadern wegschneiden und den Rest zusammenschneiden. In einem Topf Butter aufschäumen, die Kohlrabistifte umlagern, etwas vom Kochwasser dazu schütten, mit Kümmel, Muskatnuß und Zitronensaft würzen. Ein paar Schöpfer Kochwasser aus dem Dämpfer umschütten, die geschnittenen Kohlrabiblätter dazu geben.

Schlußbemerkung

Auf keinen Fall Ketchup dazu geben, der Kohlrabi ist so mild, Ketchup würde den Geschmack verdecken, auch keinen Senf nehmen. Hier muß man hineinschmecken.


1Fleischerei Ringl: http://www.fleischerei-ringl.at/

2 Katharina Seiser: ÖSTERREICH express, 2023. Zufällig in der Buchhandlung entdeckt und gleich mitgenommen. Hier gibt es auch ein Rezept für Topfenhaluschka. Oder Brathendl mit Risibisi. Oder Einbrennte Hund (Erdäpfel), etc. pp. So ein Kochbuch habe ich mir schon immer gewünscht, das die Klassiker meiner Kindheitsküche versammelt und ausführlich behandelt; in modernisierter Form, damit kann man alte Klassiker neu aufleben lassen.

3Oft sind die Blätter vom Kohlrabi schon abgeschnitten, aber wenn man Glück hat, zB am Markt bekommt man sie noch mit. Das erinnert mich an die unschöne Szene, als einmal eine Frau sich über die vor ihr in der Reihe furchtbar lustig gemacht hat, weil die darauf bestand, daß die Marktstandlerin das Grün bei den Karotten drauflassen solle. Das wäre ja Hasenfutter. Garstige Leut gibt’s. Meistens haben die keine Ahnung.

Gemüsesuppe mit Wintergrün und Nudeln

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In der NZZ-Beilage Z fanden wir ein Rezept für eine Gemüsebrühe. Wenn das der neue Zeitgeist ist, dann ist er willkommen! Die Gemüsebrühe ist von Stefan Mühlbacher, dem Koch von „Mayrlife“ dem Wellness-Hotel in Altaussee. Doch das ist nur die Grundlage, dann kocht Myriam Zumbühl weiter eine Gemüsesuppe mit Wintergrün und Nudeln, bei uns war das Wintergrün Grünkohl.

Die Autorin schreibt, daß sie jeden Tag frische Suppe kocht. Daran kann man sich gewöhnen: im Winter ist es kalt und wenn draußen der Sturm peitscht oder es gar hagelt, dann löffelt man zu Hause seine Suppe, die wärmt von innen. Das ist Gemütlichkeit, fehlte nur noch das Knistern im Kamin.

Unsere Bilder sind etwas diesig geworden. Das liegt daran, daß die Suppe brennheiß serviert wurde.

Zum Rezept hier entlang! https://bellevue.nzz.ch/kochen-geniessen/vitalisierendes-lebenselixir-so-kocht-man-schnell-und-gut-eine-gemuesebruehe-fuer-kalte-tage-ld.1761729

Geselchtes mit Kartoffelpüree , Röstzwiebel und Kraut & Kren

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Geräucherten Beinschinken, in Österreich sagt man Geselchtes dazu, wenn es geräuchert ist, kann oder besser gesagt konnte man früher bei jedem Greißler kaufen. Bei Supermärkten schaut das ein bisserl anders aus. Natürlich, man kann es auch selber machen1, aber wer hat schon eine Selchkammer zuhause? Früher hatten Bauernhöfe mit Schweinen sowas.

Nicht gegrillt, gesotten muß es sein.

Zuerst wird gesurt dann geselcht. Wer zufällig nach Österreich kommt und es gibt Schnitzel vom Gesurten, sollte sich das nicht entgehen lassen. Das gesurte Schweinefleisch schmeckt unvergleichlich besser als das nicht Gesurte, was wohl daran liegt, daß durch das Salz dem Fleisch Wasser entzogen wird, was es schmackhafter macht. Ein Geselchtes ist obendrein auch noch geräuchert, es ist eßfertig, man muß es nur mehr sieden. Geselchtes mit Erdäpfelpüree und Zwiebel, mit Knödeln und Sauerkraut oder gesotten, ausgekühlt und aufgeschnitten zur Jause bzw auf kalten Platten gereicht… Kenner und Eingeweihte wissen, was ein „echtes Bauerngeselchtes“ ist. Unseres kommt von Labonca einem Biobetrieb aus dem Lafnitztal in der Steiermark. Beim Geselchten verwendet man große ganze Stücke vom frisch geschlachteten Schwein. Hier sieht man, was man ißt2. Nach der Schlachtung wird es übernacht in Gewürzen liegen gelassen, dann in einem Kübel übereinander geschichtet, mit reichlich Salz dazwischen und mit der Sur übergossen. Nach dem Suren kommt es in die Selchkammer und dann wird es geräuchert, aber gerade so, daß es nicht schwarz oder rußig wird. Alles in allem dauert das seine Zeit, mehrere Wochen sind dafür zu veranschlagen.


1 https://www.selchen.at/

2 Bei Kebab sieht man nicht, was man ißt. Erst unlängst wurde ein Kebabskandal aufgedeckt, bei dem verdorbenes TK-Fleisch zu Kebab verarbeitet und beim Kebab-Standl billig angeboten wurde. Ergebnis: 1 Toter, 27 Erkrankte. Da ist mir gesurtes oder geselchtes Schweinefleisch doch deutlich lieber.

https://www.krone.at/3111086

Fischsuppe – Deutschland oder Frankreich?

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Auf gut Glück haben wir nach Fischen für eine Bouillabaisse gefragt, und es gab eine TK-Packung, nicht etikettiert; offenbar ist das für die Gastronomie gedacht,- denn wer macht schon als Privater Fischsuppe? Zu Hause angekommen und aufgemacht: riecht schon sehr nach Fischkutter. Im Buch „Medical Cuisine“ von Riedl und Lafer ist ein Rezept für eine Bouillabaisse enthalten. Also wird das ausprobiert.

B o u i l l a b a i s s e

Die Franzosen sagen Bouillabaisse zur Fischsuppe, vor allem bekannt ist die Bouillabaisse de Marseille. Das Wort steht für Aufkochen und Niedriger stellen, bouillon und abaissé. Das Rezept der Bouillabaisse stammt aus dem 16.Jahrhundert, der Safran ist später dazugekommen und wurde im Katalanenviertel in Marseille eingeführt, so vermutet Raymond Oliver, der Rezeptforscher. Tomaten, Fenchel und Lauch kamen ebenso später hinzu. Mozart hätte eine Bouillabaisse gegessen, wäre er Provenzale gewesen. Die Bouillabaisse steht für die Kochkunst der Provence schlechthin.

V e r g l e i c h   d e r   F i s c h s u p p e n

Als Vergleichsmaßstab haben wir die Bouillabaisse aus dem Buch von Alain Ducasse Grand Livre de Cuisine „Die mediterrane Küche“ genommen. Die ist zwar eine Abwandlung von der klassischen Bouillabaisse wegen der Languste, die wir aber einfach übergehen.

V e r g l e i c h   d e r   Z u t a t e n   ( o h n e   F i s c h )

Riedl/ Lafer – Alain Ducasse/Franck Cerruti

Zwiebeln – weiße Zwiebeln in Felsenfischsuppe enthalten

Knoblauchzehen – Knoblauchzehen, und in Felsenfischsuppe enthalten

Chilischote – fehlt

Kirschtomaten –Tomaten sind in Felsenfischsuppe enthalten.

Lauch – in Felsenfischsuppe enthalten

Fenchelknolle – Fenchelzweig, Fenchel in Felsenfischsuppe enthalten

Safranfäden –  Safranfäden

Olivenöl – fehlt

Schalen von Orange – Orangenzeste

Fischfond –  Felsenfischsuppe

Weißwein – fehlt

Tomatenmark –Tomaten in der Felsenfischsuppe

Thymian – fehlt

Lorbeerblätter – kleines Lorbeerblatt

Salz, schwarzer Pfeffer – Meersalz, schwarze Pfefferkörner

Kleine gekochte Kartoffeln – fehlt

Die wesentlichen Unterschiede bei den Zutaten sind: die Chilischote, der Weißwein und die kleinen gekochten Kartoffeln, die bei Riedl/Lafer hinzugekommen sind. Das Alain Ducasse Rezept erscheint mir wesentlich einfacher. Möglicherweise enthält das Riedl/ Lafer – Rezept einige Zugeständnisse an den deutschen Geschmack. Das Alain Ducasse Rezept ist aufwendiger bei der Gestaltung: die Fische werden nicht zusammengekocht, sondern jeder einzeln für sich: da sind große Unterschiede von 4 (Pfauenlippenfisch) bis 12 Minuten (Drachenkopffisch) und es sind 7 verschiedene Fischarten in 5 Durchgängen. Bei Riedl/ Lafer werden alle Fische ungeschaut welcher Art auch immer 10 Min. gegart. Mehr Arbeit in der Küche ist der deutschen Seele offenbar nicht zumutbar. Bei Riedl/ Lafer ist das mehr so eine Art Tomaten-Gemüsesuppe mit allerlei Einlagen zum Fisch wie Kirschtomaten, Lauch und Fenchel; bei Alain Ducasse kommt an erster Stelle der Fisch, dann der Sud, in dem er gekocht wurde, und dann lang nichts, denn der Sud kommt ohne zusätzliche Einlagen aus, er wurde abgeseiht („gefiltert“ steht da im Buch, najo). Ein getoastetes Brot muß als Beilage genügen. Die Bouillabaisse aus dem Grand Livre de Cuisine erscheint einfacher, urtümlicher und genauer; man kann sie mit einem Tafelspitz vergleichen, nur statt dem Tafelspitz wird Fisch gekocht. Und sie ist sicherlich auch sehr gesund, nur schmeckt das wohl dem deutschen Normalverbraucher zu bestimmt nach Fisch. Deshalb auch die Kartoffeln. Zugeständnis an den deutschen Geschmack. Vielleicht ist das der Unterschied, auf den es Riedl und Lafer ankommt: man macht eine Tomaten-Gemüsesuppe, bei der man ein paar gekochte Fischstücke unterbringt. Wir lernen also: die Bouillabaisse, so wie sie in Südfrankreich zubereitet wird, ist sehr gesund; wird aber in Deutschland kaum gegessen. Es ist gekochter Fisch. Normalerweise essen die Leute ja nur gegrillten Fisch. Oder gebratenen, keinesfalls gekochten. Daran muß man sich erst mal gewöhnen. Die nächste Stufe wäre dann wohl die Bouillabaisse auf die französisch-provenzalische Art, vor der wohl viele Leute zurückschrecken. Ist es aber nicht: die „Alternative“ bei Riedl/ Lafer, also die mit dem erhöhten Gesundheitsfaktor, geht in eine andere Richtung,- dazu ein ander Mal mehr.

M e d i c a l   C u i s i n e

Das Besondere an dem Buch von Riedl und Lafer „Medical Cuisine“ ist es, bei der Ernährungsumstellung das Gewohnheitstier im Menschen zu berücksichtigen. Bekannte Grundrezepte werden leicht abgeändert, sodaß man nach mehrmaliger Wiederholung sich daran gewöhnt. Dann kann man die nächste Stufe erklimmen und die noch gesündere Abwandlung (genannt „Alternative“ bei Riedl/ Lafer) zu den Grundrezepten probieren. Bei einem Sprung ins kalte Wasser zu den total gesunden Rezepten macht das Gehirn nicht mit, der stufenweise Umstieg auf die gesunde Ernährung ist das Neuartige an diesem Buch.

S o   h a b e n   w i r   e s   g e m a c h t

Nur eine Fischart nämlich Steinbutt war in der 1,9 kg TK-Packung, bis auf den einen Tupfen Rotbarsch. Die Fischart scheint nicht so wichtig zu sein, Hauptsache Fisch. Bei Alain Ducasses Bouillabaisse werden die Fischarten allerdings genau aufgezählt, die da hineingehören. Und einzeln gegart.

F i s c h f o n d  Die Fischstücke auftauen und in mundgerechte Stücke schneiden, Flossen abschneiden, die Gräten herausziehen. Die Abfälle mit Fenchelsamen, Suppengrün, Lorbeerblatt und ganzen schwarzen Pfefferkörnern in einem Topf mit Wasser gießen, aufkochen und köcheln lassen.

Zwiebel, Knoblauch und Lauch in Scheiben schneiden, sowie Chilischote und Pfefferoni in Scheiben schneiden. Fenchel in Streifen und das Fenchelgrün beiseite legen. Safranfäden in heißem Wasser einweichen. In einem Topf das Olivenöl erhitzen, Zwiebel, Knoblauch und Chili eine Minute dünsten. dann Lauch, Fenchel und Orangenschale in Streifen daruntermischen. Das Tomatenmark anrösten. Tomaten, Fischfond, Weißwein, Safran, gehackten Thymian und Lorbeerblatt dazugeben, mit Salz und Pfeffer abschmecken und alles aufkochen. 6 Min. zugedeckt köcheln lassen. Die Fischstücke und die vorgekochten Kartoffeln, in dicke Scheiben geschnitten, hineingeben. Zugedeckt etwa 10 Min. leise köcheln lassen. A n r i c h t e n  mit dem Fenchelgrün bestreuen und mit dem Olivenöl beträufeln.

Mit Anleihen bei Riedl, Lafer: „Medical Cuisine“: Bouillabaisse, S. 80

Alain Ducasse: Grand Livre de Cuisine „Die mediterrane Küche“: Bouillabaisse, S. 56

Beim Einkauf einer Butter aus Berchtesgaden:
Warum unterstützen wir die Deutsche Wirtschaft?
Von uns aus gesehen ist das Deutsche Eck näher als Vorarlberg.

Felsenfische halten sich in der Nähe der Küste auf, wie Knurrhahn oder der Drachenkopffisch. Diese Fische gehören lt. Alain Ducasse in eine Bouillabaisse hinein. Man kann aber eine Fischsuppe so machen, wie man will.


Das Rezept ist verbesserungswürdig. Beim Kochen lösen sich die Gräten und schwimmen dann in der Suppe herum. D.h. man muß aufpassen, daß man keine Gräte verschluckt, wenn man die Suppe löffelt. Man muß es so machen wie bei Ducasse und abseihen. Hernach kann man ja immer noch gekochte Kartoffeln u.s.w. dazugeben. So wird man Deutschland vom gekochten Fisch nicht überzeugen. Das Rezept muß erst geschrieben werden.


Die Bouillabaisse-Packung von Eishken werden wir nicht mehr nehmen: erstens tiefgefroren, zweitens nur eine Fischart drinnen, drittens Gräten. Nächstes Mal suchen wir uns die Fische selber aus.

Artgerechte Ernährung – Medical Cuisine

Fotos und Text © 2023 https://kuechenereignisse.com

Für jedes Viech gibt es eine spezielle Ernährung, die genau angepaßt ist an die Tierart. Da fragt man sich, warum macht man das nicht auch für Menschen? Der homo sapiens ist ja auch so eine Art Tier. Lafer und Riedl versuchen genau das in ihrem Buch „Medical Cuisine“. Sie schreiben, daß die hierin beschriebene Ernährungsweise einer kleinen Revolution gleichkommt. Denn wenn man bedenkt, daß die Ernährung immer schlechter geworden ist: zb die Alltagsküche ist immer mehr in Richtung Fertig- und Imbißgerichte abgedriftet.- dann versteht man schon, warum es an der Zeit ist, zurück zu schwenken. Es gibt einen Kippschalter im menschlichen Körper, der einem sagt, wann man genug hat: das ist, wenn man genug Eiweiß gegessen hat. Wenn man kein oder zu wenig Eiweiß ißt, bleibt man hungrig und stopft sich die Rohscheiben hinein bis die Tüte leer ist. Es mag vielleicht sein, daß man den einen oder anderen Ernährungsratschlag schon kennt, zb daß Gemüse sehr gesund ist, Alkohol hingegen nicht. Der Clou ist aber, den optimalen Lebensmittelmix zu finden und ihn in wohlschmeckende Rezepte zu verpacken. So ist eine langfristige Ernährungsumstellung möglich. Wir haben das neue Buch gerade erst mal angefangen zu lesen, deshalb kommt nun nochmal ein Rezept aus Riedls Klassiker „Der Hafer-Masterplan“. Als nächstes lesen wir das Kapitel, warum Genuß so wichtig ist; ein äußerst wichtiges Kapitel wie mir scheint!

Dr. Matthias Riedl, Johann Lager „Medical Cuisine”.

Hähnchenschnitzel mit Tomatensalsa, aus „Der Hafer-Masterplan“

Gekochter Fisch – Pesce Lesso

Gekochtes hat schon ein bisserl was mit Eleganz zu tun. Während man beim Grillieren ein Stück Fleisch oder Fisch auf Rost oder Spieß oder gleich direkt ins offene Feuer hängt, geht man beim Sieden mit etwas mehr Feingefühl vor: Das Fleisch oder der Fisch wird in einem Topf mit gewürztem heißem Wasser ziehen gelassen, noch feiner wird‘s, wenn man es gar nur dämpft. Während beim Braten&Grillen das Fleisch in der Glut knistert und sich kräftige Brataromen entwickeln, das Fleisch sich durch eine Vielzahl von Reaktionen („Maillard-Reaktion“) umwandelt und sich eine Kruste bildet, wird beim Sieden&Kochen behutsam mit dem Fleisch umgegangen: auf daß die Struktur des Fleisches möglichst nicht angetastet wird, auf daß es nicht zerstört wird; und das Fleisch seine Eigenheit öffnet und seine innersten Aromen preisgibt. Gekochter Fisch triumphiert mit seinem Eigengeschmack. Das eine verfügt über Rustikalität, das andere über Finesse. So steht das eine für ausgelassenes Feiern, das andere für kultivierte Zurückhaltung und raffinierten Genuß. So trinkt man zum Gegrillten oft Bier aus dickwandigen Humpen, zum Gesottenen lieber Chardonnay aus filigranen Tulpengläsern.

Vom Spiesse bring‘ ich den Braten: Versuchtest du gern den Sud?
Für dich sott ich ihn gar.

Mime an Siegfried, der ihm daraufhin Topf und Braten aus der Hand schmeißt, in R. Wagners Oper Siegfried, 1. Aufzug. Mal abgesehen vom ungestümen Verhalten Siegfrieds: früher einmal, also im 19. Jhdt. – außer R. Wagner wollte authentisch sein, dann war es noch früher… lagen Gebratenes und Gesottenes wohl gleichauf, in deutschen Landen, so scheint es.

In dem Artusi-Buch das wir haben, gibt es ein Fischkapitel, indem einige wenige aber feine Rezepte enthalten sind… die für gekochten Fisch überwiegen. Heutzutage wird ja kaum ein Fisch gekocht, dabei gibt es oder soll man sagen gab es, eigens dafür vorgesehene Kochtöpfe, deren Form dem länglichem Fisch angepaßt ist.

Wir hatten einen Süßlippenbarsch aus Portugal. Der Fischhändler1 meinte, der schmecke so ähnlich wie ein Wolfsbarsch. Na dann! Ohne Empfehlung hätten wir uns an diesen exotischen Fisch nicht herangewagt. Da dieser Fisch von der Form her einer Dorade ähnelt, hätte er nicht in einen schlanken Fischtopf gepaßt. Wir haben also unseren Dampfgarer ohne dem Dampfeinsatz verwendet.

Pesce Lesso – gekochter Fisch im Artusi-Buch

Das Artusi-Buch ist so aufgebaut, daß zuerst das Originalrezept von Pellegrino Artusi angegeben wird, das danach unter dem Titel „So kocht der Meister“ fachmännisch kommentiert wird. Nun hat man die Wahl, ob man streng nach der italienischen Tradition kochen will oder die modernen Ratschläge miteinfließen läßt. Unser Rezept ist eine Mischung aus beiden. Die Rezepte sind keine Punkt-Für-Punkt-Anleitungen, Pellegrino Artusi plaudert aus dem Nähkästchen; trockener Stoff, wie der Untertitel „Von der Wissenschaft des Kochens“ verheißen mag, in dieser Form dargebracht, ist das nicht. Angezogen hat uns das Rezept für gekochten Fisch auch wegen der roten Rüben, die da als Zuspeis zum Einsatz kommen… für unseren Geschmack einigermaßen ungewöhnlich, bei Fisch, was uns das Rezept umso interessanter macht.

Gekochter Süßlippenbarsch mit roten Rüben, Kartoffeln und Mayonnaise (Rezept)

Die rohen roten Rüben in Salzwasser aufsetzen und kochen, bis sie durch sind. Das dauert ein Weilchen, eine halbe Stunde vielleicht. Dazu eine Marinade machen aus rotem Rübenessig, Olivenöl und Salz. Danach die Kartoffeln aufsetzen. Weiters Wasser für den Fisch (0,9 kg Süßlippenbarsch) aufsetzen, wenn es sprudelt salzen – für 1L Wasser nimmt man 1 gestrichenen TL Salz. Dann die 2 kleinen mit jeweils einer Gewürznelke gespickten Zwiebeln, 1 kleine Sellerieknolle, 2 Mohrrüben, einige Petersilienblätter dazu geben und eine Viertelstunde kochen lassen. In der Zwischenzeit den Fisch küchenfertig machen: Flossen abschneiden, Kiemen entfernen. Den Fisch mit Zitronenscheiben einreiben. In den Sud einlegen, erst wenn der Sud nicht mehr kocht. Der Fisch ist gar, wenn die Augen hervorquellen, die Haut sich beim Berühren ablöst und das Fleisch zart ist, so Artusi. Wir nahmen ihn nach ca. 15 Min. aus dem Kochsud heraus, als sich die Haut ablöste.

Mayonnaise so wie hier herstellen, nur statt Traubenkernöl Sonnenblumenöl und statt Zucker Honig.

Die Mengen im Artusi sind meist nur so in etwa angegeben, man kocht also nach Gefühl, so wie man eben kochen sollte.

Inspiriert von Pellegrino Artusi: Von der Wissenschaft des Kochens und der Kunst des Genießens, S. 157, Verlag Mary Hahn, Herausgeber der italienischen Ausgabe war Davide Paolini, erschienen 1991 bei Sperling&Kupfer, Edition S.p.A., Mailand. Wer sind die ominösen Meister, die unter „So kocht der Meister“ kommentieren? Es sind die fünf Köche, die am Ende des Kochbuches vorgestellt werden, tatsächlich große Meister ihres Fachs: Gianfranco Bolognesi („La Frasca“, Castrocaro Terme),  Arrigo Cipriani ( „Harry‘s Bar“, Venedig, tja wer kennt das nicht…), Gualtiero Marchesi („Gualtiero Marchesi“, Mailand), Fulvio Pierangelini („Gambero rosso“, San Vincenzo), Gianfranco Vissani („Vissani“, Baschi). Unsere Ausgabe ist von 1998, weshalb hier noch nicht gegendert wird, welch ein Genuß beim Lesen, welch goldene Zeiten waren das damals.

Wein: Im Artusi-Buch wird ein Trentino DOC Chardonnay empfohlen, dem konnten wir nicht habhaft werden, aber einem Chablis 2020 Domaine Jean Goulley aus La Chapelle-Vaupelteigne, einem Ort mit 91 Einwohnern, der tut es ja wohl auch…

1 Eishken Estate, Inzersdorf

Das Magere Meisl – Die Rindfleischküche

Der Tafelspitz ist ja nur eines der Fleischstücke vom Rind, das man kochen kann. Für die Wiener Küche besteht ein Rind zum überwiegenden Teil aus zu verkochendem Rindfleisch, nur Lungenbraten, Beiried und Rostbraten1 eignen sich ausschließlich zum Braten. Die Auswahl an Fleischstücken ist groß; welches Stück man nun zum Kochen nimmt, hängt vom persönlichen Geschmack ab: will man es eher trocken, saftig oder fett? Wenn man sich dann noch die mannigfaltigen Zuspeisen vor Augen hält, wird vorstellbar, daß es einmal eine Zeit gab, in der man sich oft von Rindfleisch ernährt hat: 100 kg pro Kopf waren es 18282. Kaiser Franz Joseph aß jeden Tag seinen Tafelspitz. Wir haben uns ein mageres Meisl ausgesucht, einen Muskelstrang, der durch seine rötliche Farbe heraussticht, es ist eher trocken, fest und ohne Fett, deshalb muß eine Soße dazu.

Grazer Schöberl für die Suppe (Rezept)

Die Rindsuppe entsteht aus dem Kochen des mageren Meisls.

Eiklar mit Salz mit dem Handmixer zu steifem Schnee schlagen. Mehl und Dotter unterheben. Die gekochten Erbsen daruntermischen. Das Backblech haben wir mit dem heruntergetropften Fett von den Schweinsbrüsteln eingefettet und bemehlt. Die Masse aufstreichen und bei 180° 12 Min. backen. Auskühlen lassen. Aufschneiden.

Inspiriert von Ingrid Haslinger: Tafelspitz & Fledermaus, Die Wiener Rindfleischküche, 2015, S. 46

Shiitake-Pilzsoße auf die Wiener Art (Rezept)

Von der Art des Rindfleisches hängt die Zuspeis ab, da das Meisl mager ist, kommt also eine Soß‘ dazu: Shiitake-Pilzsoß auf die Wiener Art, dazu gekochte Erdäpfel.

2 feingehackte längliche Schalotten in 80 g Butter anlaufen lassen, 40 g Mehl dazu geben, einige Zeit köcheln lassen und verrühren, etwa 15 Min. bis der Mehlgeschmack weg ist. Mit etwa ½ L Rindsuppe aufgießen. Aufgeschnittene 200 g Shiitake-Pilze dazugeben, mit Salz abschmecken.

Inspiriert von Ingrid Haslinger: Tafelspitz & Fledermaus, Die Wiener Rindfleischküche, 2015, S. 103: „Soße zum Rindfleisch“ dort werden allerdings Morcheln verwendet.

Nach der Suppe hat man den Hunger hinter sich und die Muße, sich dem Appetit zu widmen.

Ludwig Plakolb zitiert in Haslinger, 2015, S. 26

Beim Lesen des Buches von Ingrid Haslinger merke ich erst, wie tief ich in dieser Stadt verwurzelt bin. Suppe habe ich schon als Kind gern gehabt; und in Wien wurde die Suppe, vor allem die klare Rindsuppe, schon vor langer Zeit zum Lieblingsgericht vieler Österreicher. Deshalb hat sich die französische Küche bei uns nie so richtig durchgesetzt, mit ihren appetitanregenden Vorspeisen. In Wien kam man gleich zur Sache, man hatte Hunger, wollte was essen, und das bedeutete, die Suppe muß her. Die Suppe wird in Wien als ein eigenständiges, vollwertiges Gericht betrachtet, die ernähren soll. Deshalb gibt es auch so viele satt machende Beilagen zur Suppe: Grießnockerl, Eierstich, Frittaten, Schöberl, Leberknödel, usw. Nach der Suppe, wenn der Hunger gestillt ist, hat man Zeit und Muße, den nächsten Gang zu genießen. Und genau nach diesem Prinzip funktioniert das gekochte Rindfleisch, sei es ein Tafelspitz, ein Kruspelspitz oder sonst ein Rindfleischstück. Rindfleisch wird gekocht und daraus ergeben sich zwei Speisen: einmal die Suppe und weiters das Rindfleisch.

Gekochtes Rindfleisch ist die Seele der Wiener Küche.

Joseph Wechsberg, 1907 – 1983

Zum Kochbuch „Tafelspitz & Fledermaus“

Eigentlich ist das genau so ein Kochbuch, wie ich mir das vorstelle: das ist kein Kochbuch jener Machart mit vielen Bildern und wenig Rezepten, wie das heutzutage en masse vorkommt. Hier ist es wohltuenderweise genau umgekehrt: viele Rezepte und wenig Bilder, interessante Abbildungen und historische Aufnahmen, wie der Speiskarten vom Meissl & Schadn anno 1923, dem „Mekka der Rindfleischesser“ (Friedrich Torberg) oder dem imposanten Bau des Hotel-Restaurants „Österreichischer Hof“, der einst die Ecke Fleischmarkt/ Rotenturmstraße schmückte. Das kann man sich gar nicht vorstellen, wie das einmal war. Und es ist gespickt mit Hintergrundinformationen, wie daß es einmal eine Zeit gegeben hat, in der das Beinfleisch teurer war als der Tafelspitz und daß es Leute gegeben hat, die lieber das Beinfleisch vom Knochen abnagten, als das Herzfleisch zu essen, oder dem k.u.k Schweinekrieg, der im Vielvölkerstaat losbrach und zu hohen Preisen führte. Hier gibt es viel Erstaunliches aus der „Welt von Gestern“ (Stefan Zweig) zu lesen; kein Wunder, daß man das alles hier erfährt: ist doch Ingrid Haslinger eine Historikerin, die das Faszinosum Wiener Rindfleischküche mit einer beeindruckenden Fachkundigkeit behandelt und das auf amüsante und lockere Art – in einer Sprache, wie man es gerne liest, ohne Eindruck zu schinden. Gedruckt auf griffigem Papier, das sich sehr gut anfühlt… auch das: ein Pluspunkt. Dieses Buch nimmt man gerne zur Hand. Ein Buch für feinschmeckende Bücherliebhaber und Bücherliebhaberinnen.

1 Haslinger, 2015, S. 67

2 Haslinger, 2015, S. 16

Literatur:

Ingrid Haslinger: Tafelspitz & Fledermaus, Die Wiener Rindfleischküche, 2015

Ich halte das alles für einen schweren Irrtum.

Ein Gastrosoph über die kulinarische Entwicklung in den letzten Jahren.

Im Internet habe ich ein Rezept von einem mageren Meisl gefunden, das wie ein Steak gebraten und dann mit Rotwein und dem abgelöschten Bratenrückstand übergossen wird. Das kann man machen, das Fleisch eignet sich sogar dafür. Aber daran erkennt man halt auch, daß kaum jemand mehr über die subtilen Vorzüge des Rindfleischkochens Bescheid weiß. Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, daß es früher besser war.

https://frischgekocht.billa.at/rezept/mageres-meisel-in-rotwein-mit-pilzroulade-BI-18511

Tafelspitz auf die Art nach Klingers Wirtshaus

Gekochter Tafelspitz mit Semmelkren, warmer (!) Schnittlauchsauce,  Gurkensauce und Erdäpfelschmarren. So empfiehlt Hedi Klinger den Tafelspitz in ihrem Kochbuch. Interessant daß man bei Hedi Klinger eine warme Schnittlauchsauce bekommt und keine kalte. In Wien etwa bei Plachutta ist die immer kalt. Nun mußte die Schnittlauchsauce im Backrohr warm gehalten werden und nicht kühlgestellt… Erdäpfelschmarren zum Tafelspitz ist nicht ungewöhnlich. Im Hotel Sacher wird der Tafelspitz stets mit gerösteten Kartoffeln serviert, siehe S. 219 im Sacher-Kochbuch von Maier-Bruck. Beilagen zum Tafelspitz gibt es etliche, dadurch gibt es genug Auswahlmöglichkeiten, wobei der Apfelkren eine immer wiederkehrende Konstante auf den Tellern ist – nicht so in Oberösterreich; dort kommt Semmelkren auf den Tisch. Der Kochsalat mit Erbsen und der Spinat kommen zwar bei Hedi Klinger auch nicht vor, sind aber meiner Meinung nach unverzichtbare Zuspeisen. Ob Thomas Bernhard, der Oberösterreicher, der auch viel in Wien verkehrte und in Klingers Gaststätte Stammgast war, seinen Tafelspitz mit oder ohne Kochsalat mit Erbsen verzehrte, wissen wir nicht und können auch nicht mehr befragen. Aber vielleicht können wir darüber etwas bei der Aufführung des Bernhardschen Stück: „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“ in Erfahrung bringen. Das spielt es diesen Monat in der Josefstadt; und Claus Peymann, der große Theaterregisseur, spielt sich selbst.

Der oberösterreichische Tafelspitz

Wir haben uns möglichst an die Rezepte gehalten, damit es möglichst authentisch oberösterreichisch wird… sogar der Tafelspitz war vom Sulmtaler Fleckvieh aus Oberösterreich. Den bekommt man in Wien bei der Fleischerei Ringl, in der Gumpendorfer Straße.

Tafelspitz auf die oberösterreichische Art (Rezepte)

Die Hälften von 2 großen Zwiebeln auf der Herdplatte, geschützt mit Alufolie, anbräunen. Den 2,7 kg Tafelspitz und das 0,8 kg Beinfleisch blanchieren und in kaltem Wasser in einem großen Topf mit den Zwiebelhälften und 2 Bund Suppengrün aufsetzen. 3 bis 4 Stunden leicht köcheln.

Wer die Beilagen nicht ehrt, ist den Tafelspitz nicht wert.

Beilagen:

  1. Für die Schnittlauchsauce wird eine helle Einbrenn (helle Mehlschwitze) gemacht, dann etwas Wasser aufgießen und mit Obers und Sauerrahm vermischen, dazu den Schnittlauch und abschmecken; und nicht so wie wir das gewohnt sind: mit in Milch eingeweichtem Toastbrot, hartgekochtem Ei und mit Öl aufgegossen.
  2. Für den Schmorgurkensalat Gurken schälen, entkernen und in 4 mm dicke scheiben schneiden, die Zwiebel in Butter anschwitzen, die Gurken dazugeben und durchschmoren. Abschmecken und Sauerrahm und Obers hineingeben, durchschmoren. Haben wir noch nie gehabt.
  3. Für den Semmelkren die Semmeln zerkleinern, salzen, Muskatnuß darüberreiben, mit Rindssuppe begießen, mit Butter, Sauerrahm und Obers verrühren. Frisch gerissenen Kren dazugeben, nach Maßen und Geschmack.
  4. Für den Erdäpfelschmarren heurige Kartoffeln kochen und auskühlen lassen, grob aufschneiden. Gehackte Zwiebel in Schweineschmalz anrösten, Erdäpfeln dazu und mitrösten. Zerstampfen.
  5. Für den Spinat eine Béchamelsauce machen: eine helle Einbrenn machen und mit Milch aufgießen, mit Salz und Muskatnuß abschmecken, den passierten Spinat dazugeben.
  6. Für den Kochsalat mit Erbsen  eine helle Einbrenn machen. Mit Rinderbrühe aufgießen. Kochsalat und Erbsen einrühren. Fünf Minuten leise köcheln lassen. Mit etwas abgeriebener Muskatnuß, Salz und Pfeffer abschmecken.
  7. Für den Kohlrabi eine helle Einbrenn machen und mit Rinderbrühe aufgießen, Sauerrahm einrühren, gewürfelte und blanchierte Kohlrabiwürfel dazugeben, abschmecken. Etwas köcheln lassen.
  8. Für den Apfelkren Apfel (wir hatten einen Topaz, man kann aber auch andere nehmen) abreiben und ohne Verzug Zitronensaft dazu geben. Das um zu verhindern, daß der Apfel braun wird. Dann gerissenen Kren einrühren.
  9. Für die Dillfisolen, helle Einbrenn machen, Rindsuppe aufgießen, Sauerrahm unterrühren und Fisolen dazugeben, abschmecken. Etwas köcheln lassen Mit Dille bestreuen.

Inspiriert von Hedi Klingers Klassiker der österreichischen Küche, S. 126 – S. 128. Wir konnten uns nicht zurückhalten, und haben noch ein paar andere Beilagen dazu gemacht. Bei Klinger hätte es noch eine Zwiebelsauce gegeben, aber die heben wir uns für das nächste Mal auf.

Einbrenn (Mehlschwitze)

Ohne einer hellen Einbrenn (Einmach, helle Mehlschwitze) geht es nicht: Butter oder Schweineschmalz in einem Topf erwärmen. Genauso viel Mehl wie Butter / Schweineschmalz dazu geben und mit dem Schneebesen verrühren und eine Viertelstunde bei niedriger Temperatur aufschäumen lassen, bis es ganz leicht angeröstet ist. Beim Rösten wird die Stärke aufgespaltet, wodurch der Mehlgeschmack verschwindet und gleichzeitig Röstaromen dazukommen. Damit kann man herrlich Saucen binden, aber auch Rahmfisolen, Kochsalat mit Erbsen, einen Kelch (Kohl auf Wiener Art), etc…. keine klassische Küche kommt ohne Einbrenn aus.

Es war mir das reinste Vergnügen!

Weinbegleitung:

Zahel, Ried Kaasgraben Nussberg, Wiener Gemischter Satz, 2018

Interessante Links:

http://www.gasthof-klinger.at/

https://www.josefstadt.org/programm/stuecke/stueck/claus-peymann-kauft-sich-eine-hose-und-geht-mit-mir-essen-1.html

http://www.fleischerei-ringl.at/index.html