La coda alla vaccinara – Von der Königin der Römischen Küche

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Ganz sind wir ja der Coda alla vaccinara nicht auf die Schliche gekommen. Die Coda alla vaccinara auf Deutsch Ochsenschleppeintopf ist das Vorzeigestück der als „Quinto Quarto“ bezeichneten, typisch römischen Küche. Die Bezeichnung „Quinto Quarto“, also das Fünfte Viertel, rührt da her, weil die Fleischarbeiter im Schlachthof Roms, dem Mattatoio, sich seinerzeit mit den Fleischabfällen als einem Teil der Bezahlung zufrieden geben mußten, also mit dem, was so gar nichts wert war; woraus sich eine Küche der Armen entwickelte, die daraus notgedrungen etwas Eßbares machte. Das hat sich als Glücksfall erwiesen, weil sie uns mit ihrem Einfallsreichtum die „Quinto Quarto“-Küche beschert hat. Das war so um und nach 1890 herum, nachdem der Schlachthof in Testaccio seinen Betrieb aufnahm, übrigens heute eine Kultur- und Veranstaltungsmeile Roms. Was ich nun nicht verstehe: Wie kann es sein, daß dieses Gericht Coda alla vaccinara als „Königin des Quinto Quarto“ bezeichnet wird, obwohl doch zu der damaligen Zeit der Ochsenschlepp längst als Delikateß gang und gäbe war. Im Großen Sacher-Kochbuch* steht und dort wird es aus F.G. Zenkers „Vollständigen theoretisch-praktischen Anleitung zur feineren Kochkunst“, 1824, zitiert, aus dem Kapitel „Vom Rindfleisch“: „Das Schweifstück wird als das vorzüglichste Stück, der Qualität nach, und besonders als großes Tafelstück der schönen Form wegen geachtet; es gibt gute Brühe, behält viel Saft und endlich eine schöne Form.“ (Maier-Bruck, S. 221) Da ist bestimmt nichts übrig geblieben, und das war lange bevor der Schlachthof Roms seine Pforten öffnete, was so um 1888 war. Und so wird also weitergestrickt an der Legende vom “perhaps the most ancient example of nose-to-tail eating there is.”* Tja, wer nichts weiß, muß alles glauben, wußte schon Marie Ebner von Eschenbach. Die Kombination mit dem Stangensellerie ist allerdings einzigartig, das muß man der Römischen Küche schon lassen.

Der Ochsenschwanz mit der Selleriestange

Sind wie der Mann für die Frau

Etwas weniger anhänglich […]

La coda alla vaccinara col sedano

son como lo mascolo per la femmina

Tanto men appiccicato […]

aus „Brutti, sporchi e cavitti“

Zufällig bin ich über die Coda alla vaccinara gestolpert in der Financial Times, in der ich so ein Thema zu allerletzt vermutet hätte. Von der Verschmelzung von Ochsenschlepp und Stangensellerie wird einem da vorgeschwärmt, dazu als „Geheimzutat“ bittere Schokolade. Aber der Film „Brutti, sporchi e cavitti“ (Die Schmutzigen, die Häßlichen und die Gemeinen) macht einem die Coda alla vaccinara erst so richtig schmackhaft. Darin wird gezeigt, wie die Darsteller Nino Manfredi und Maria Luisa Santella sich eine Minute lang an der Coda alla vaccinara, gütlich tun, bevor wieder ein halbwegs zivilisiertes Wort fällt: „Der Ochsenschwanz mit der Selleriestange sind wie der Mann für die Frau… [….]“; mein Italienisch ist etwas eingerostet, viel mehr weiß ich nicht. Man sieht, wie sich die beiden an der Coda alla vaccinara delektieren, zügellos mit größter Lust, nicht gerade etepetete, wie es da zugeht. Das gibt uns aber eine Vorstellung davon, wie gut das schmecken muß! Welche Freiheiten damals möglich waren. Und wie verkrampft heute alles ist. Das ist nicht die einzige Szene, die für heutige Begriffe unvorstellbar ist. Der Film gewann 1976 in Cannes den Preis für die Beste Regie. Leider gibt es nur mehr Schnipsel auf Youtube davon zu sehen.

Rezept Coda alla vaccinara

1 Zwiebel, 2 Knoblauchzehen, 2 Karotten, 4 Stangen Stangensellerie und den Guanciale  würfeln. 2 kg Ochsenschleppstücke salzen, pfeffern und in einer Kokotte in wenig Olivenöl anbraten, herausnehmen, den Speck glasig braten, das gewürfelte Gemüse mitbraten, den Ochsenschlepp wieder beigeben. Mit 200 ml Weißwein ablöschen und nachdem er verdampft ist, mit 800 g Tomaten und mit 700 ml Ochsenschwanzbrühe aufgießen, 2 Chara Pita dazu. Etwa 4 Stunden bei etwa 140 Grad im Backrohr zugedeckt schmoren lassen, mindestens so lange bis sich das Fleisch vom Knochen zu lösen beginnt, also immer wieder probieren. Ochsenschleppstücke herausheben und warmstellen. Von 5 Selleriestangen die Fäden ziehen und dann in kleine Stücke schneiden, dem Sugo beigeben, die Sellerieblätter ebenso. Ein Stückerl von der Bitterschokolade abbrechen und unter den Sugo rühren. Bei starker Hitze einkochen lassen und mit Zimt, Pfeffer und Salz abschmecken. Anrichten Zedernkerne rösten. Die Ochsenschleppstücke auf einem Teller verteilen, das Sugo darüber gießen und mit Zedernkernen bestreuen. Mit Nudeln servieren.


Orientiert an „Quinto Quarto“, Von Kopf bis Fuß, von Herz bis Niere. Klassische Rezepte aus der Römischen Küche, S. 104


Schmeckt irgendwie eigenartig. Das Sugo ist, man weiß es nicht, ich kann es nicht richtig einordnen, ist das der Stangensellerie? Säuerlich? Haben doch die Rosinen gefehlt.


Quellen:

Zitat aus der Financial Times:

https://www.ft.com/content/990372e9-1852-4a05-9cb5-a1576da1e9d2

Dadurch bin ich auf den Film gestoßen:

Ausschnitt aus „Brutti, sporchi e cavitti“ (Zitat bei zirka Minute 0:58 bis 1:04): Der Film wurde in Cannes als beste Regiearbeit des Jahres 1976 ausgezeichnet, er ist aber offenbar nicht Teil der cinematographischen Überlieferung, nur Schnipsel wie dieser sind zu finden. Aber dafür bleiben uns ja die Raufereien von Terence Hill und Bud Spencer in jeglicher Form erhalten.

*Das Große Sacher-Kochbuch, Franz Maier-Bruck

Candele mit Fleischragout

In diesem Rezept gibt es keine Tomaten, aber trotzdem fehlen sie nicht, weil das Fleischragout dafür mit exotischen Gewürzen abgemischt ist. Nach Anna Dente, der Köchin, deren Rezepte im Quinto Quarto verewigt sind, mit Kreuzkümmel und Curry. Die schmeckt man zwar nicht heraus, aber sie geben diesem Gericht die besondere Note.

Frittata mit Speck und Tomaten

Je nach Jahreszeit kommt Spargel, Mangold oder was es sonst gerade gibt, hinzu. Wir konnten frischen Mangold bekommen.

Die Frittata ist kein Omelett, wie ich finde, auch wenn sie so ins Deutsche übersetzt wird. Wahrscheinlich sind die Grenzen fließend, aber für mich hat die Frittata etwas Festes und nichts Flaumiges. Der größte Unterschied wird wohl sein, dass die Frittata auf beiden Seiten gebraten wird.

In Wien gibt es auch noch die Frittaten, eine Suppeneinlage aus in Streifen geschnittenem Eierkuchen. Man müsste das mal näher untersuchen, ob unsere Frittaten von der Frittata abstammen. Wenn ich an die Konsistenz denke, dann wird das wohl so sein, kann ich mir gar nicht anders vorstellen.

Leber mit Rosinen und Honig

Dass man Leber auch süß abschmecken kann, wußte ich schon, das hat man früher gerne gemacht. Dieses alte Rezept aus dem Quinto Quarto kommt ganz ohne Zucker aus und verwendet noch Honig. Oder soll man sagen, es verwendet wieder Honig? Es ist so alt, dass es schon wieder modern ist!

Hühnerherzen mit Catalogna

Das Kochbuch „Quinto Quarto“ behandelt die nicht so geschätzten Stücke vom Tier aus der Sicht der Römischen Küche und geht auch im Warenkundenteil auf diese genauer ein. Es gibt aber auch Nicht-Fleisch-Zutaten, die typisch für die traditionelle Küche Roms sind. Ein wichtiger Bestandteil dieses Gerichts mit den Hühnerherzen ist die Catalogna. Was ist aber eine Catalogna, eine Katalonische? Solch treffende Bezeichnungen kommen ja auch bei uns häufig vor: die Krakauer. Oder die Wiener. Weiß doch jeder, dass es sich hierbei um zwei klassische Wurstsorten handelt. Deshalb steht in der Klammer hinter Catalogna Blattzichorie. Aha!

Ricotta-Ravioli mit Erbsen und Speck

Das Ausstechen mit dem Raviolistecher kann ich nicht empfehlen, zu mühsam ist die Arbeit, zu langsam geht’s voran. Da er bei diesem Gericht auch noch den Geist aufgegeben hat, werden wir uns für das nächste Mal eine Ausstechtafel  besorgen. Damit geht es sicher schneller.

Guancialini di maiale ai porcini

Schweinebäckchen zart mit Fett durchzogen sind eine Delikatesse, wenn sie lange genug geschmort werden. In diesem Rezept der Römischen Küche werden sie lange geschmort bei mittlerer Hitze, sodass die verschiedenen Aromen sich vereinigen können. Die getrockneten Steinpilze geben ihr Umami frei, so kann alles zu einem einzigartigen Geschmack verschmelzen. Wer will, macht noch ein paar Polentawürfel dazu, um auch den Rest auftunken zu können.

Bistecca con cavolo nero

Dank dem Krautjunker sind wir über dieses Kochbuch gestolpert: „Quinto Quarto” ist 2015 erschienen, es behandelt die Römische Küche und wie der Zufall so spielt, konnten wir italienischen Schwarzkohl erstehen, sodass wir gleich ein Rezept daraus ausprobieren konnten. Cavolo nero con patate, Schwarzkohl mit Kartoffeln. Das erschien uns irgendwie passend als Beilage zum Steak, das wir so dick abgeschnitten haben, dass es gleich für zwei reicht, mindestens. Dazu gibt es selbst gemachten Senf. So können wir hier doch glatt auf die Schnelle ein italienisches Gericht hinzaubern und nennen es der Form halber auf Italienisch: Bistecca con cavolo nero. Ob es das tatsächlich genau so in Italien gibt, kann ich allerdings nicht beschwören.