Dort wo früher das Brüllen und Stampfen der Stiere von weitem schon zu hören war: das der Langhörner aus Ungarn, und das jener rotbraunen Rinderrasse österreichischer Herkunft; – an der Viehmarktlinie des Central-Vieh-Markts in St. Marx, – wo einer der alten Linienwälle der Stadt stand, zum Schutz vor räuberischen Einfällen aller Art… geht es heute beschaulicher zu. Ein Radweg führt an der Toranlage vorbei, im ehemaligen Portierhaus hat sich eine Bäckerei niedergelassen, etwas weiter davon ein Kaffeehaus mit Schanigarten; – alles in allem eine verkehrsberuhigte Zone zum Entspannen. Nichts erinnert mehr an die tödliche Gefahr; – die bis heute erhaltene Rinderhalle des nahe dem Viehmarkt gelegenen Schlachthofs St. Marx wurde in einen Veranstaltungsort umfunktioniert, eine Privatsendergruppe hat ihr Firmengebäude auf der anderen Seite.
Am Viehmarkt wurden die für die Schlachtung vorgesehenen Rinder, Schweine usw. verkauft.
Die beiden Stiere allerdings, auf den Podesten links und rechts des Linientores, verraten einem noch etwas von der unbändigen Kraft, der hier an der Viehmarktlinie vor langer Zeit Einhalt geboten werden mußte; – so wie man es auch auf einem Holzstich eines Aquarells von 1890 erahnt, dessen Kopie ich jüngst habhaft werden konnte. Ein Gruß aus dem alten Wien sozusagen. Auf dem linken Sockel steht ein ungarisches Steppenrind mit einem Hirten, auf dem rechten ein Pinzgauer Rind mit einem Fleischergesellen; alle von imposanter Statur, vor Kraft strotzend. In Stein gemeißelt wurden sie von dem österreichischen Bildhauer Anton Schmidgruber.
[…]Das zumeist aus Ungarn getriebene Vieh passiert die Linie meist gar nicht, sondern wanderte an derselben vorüber zu den Schlachthäusern von Gumpendorf. Der gewaltige Verkehr, den dieser Viehhandel mit sich bringt, der geht durch das Linientor, und drängt alles andere in den Hintergrund. Selbst der großartige Biertransport, der auf dieser Straße von Klein-Schwechat und St. Marx, den Hauptbierquellen Wiens, in die Stadt geht, verschwindet fast neben dem Viehmarktverkehr. Auch sonst wird Wien noch durch die St. Marxer Linie verproviantiert, denn neben Fleisch und Bier kommt auch das Gemüse für die Wiener Küchen aus dieser Richtung. […] Es sind die Simmeringer Haide und die St. Marxer Gärtner […]
Zitiert nach einem Zeitungsartikel, der der Kopie des Holzstichs beilag, leider undatiert, vermutlich um 1892.
Heutzutage dringt nicht ein Stier mehr durch das Linientor, es ist durch Poller abgesperrt.
Das Steppenrind aus Ungarn erfuhr eine neuerliche Verbreitung; – das Pinzgauer Rind, dieses Kulturgut aus Österreich, gehört zum wenig erlauchten Kreis der gefährdeten Haustierrassen. Dabei verfügt es über eine außergewöhnliche Fleischqualität; – Auch der allfällig kommende Beitritt der EU zum Mercosur-Abkommen mit Südamerika wird uns nicht von „unserem“ Fleisch abhalten. Denn ein richtig gutes Gulasch oder ein gekochtes Rindfleisch geht nur mit Rindern aus Ungarn oder Österreich. In der nächsten Folge von Küchenereignisse gibt es gleich mal Gulasch, die Küchenfee ist bereits heftig am Werken. Es wird Gulasch geben…. von noch nie gehörter Art, sogar ein sogenanntes Damengulasch ist dabei.
https://www.pinzgauerrind.at/fileadmin/user_upload/ARGE_PI_Image_0319_www.pdf
In der That, der Magen von Wien ist ein großer Schlund, der den Überfluß aller benachbarten Provinzen verschlingt.
Anton Pezzl, um 1800, zitiert nach Ingrid Haslinger, Die Wiener Küche, 2018.













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